Immer wieder wird die Frage gestellt, welcher Phasenwinkel wohl der beste für Stirlingmotoren sei. In der Literatur und im Internet wird meistens 90° angegeben. Dahinter steckt die Logik der vier Phasen des Stirlingmotoren-Zyklusses. Dieser Vier-Phasen-Zyklus wird bei allen Beschreibungen der Funktionsweise eines Stirlingmotors dargeboten. Kann man mit 90° wirklich keinen Fehler machen?
Man kann, wie zahlreiche
Firmen-Insolvenzen der letzten
Jahrzehnte zeigen. Aber alles der Reihe nach.
Wie in meinem Beitrag
Definition
Stirlingmotor / Ridermotor
bereits dargelegt, gibt es zwei Heißgasmotoren (mit geschlossenem
Arbeitsraum).
Der optimale Phasenwinkel für diese beiden Maschinen ist völlig
verschieden.
Obendrein hängt der optimale Phasenwinkel dann noch stark vom
Temperaturverhältnis zwischen heißem und kaltem Teil ab. Doch bevor wir
uns
anschauen, warum dies alles so ist, hier vorab schon mal das Ergebnis
der
Untersuchung, in Form einer kleinen Tabelle:
|
|
Stirlingmotor (Beta
+ Gamma) |
Ridermotor (Alpha) |
|
Feuerung
mit Benzin, Dieselöl, Erdgas oder Flüssiggas |
60°
bis 70° |
110°
bis 120° |
|
Feuerung
mit Holzpeletts, Holz-Hackschnitzel, Holzgas, Biogas, Klärgas oder
Deponiegas |
70°
bis 80° |
120°
bis 140° |
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Niedertemperaturmotoren,
Abwärmenutzung, Solarmotoren ohne Fokussiersystem wie z.B.
Parabolspiegel |
80°
bis 90° |
140°
bis 170° |
Die Untersuchung im
Einzelnen:
Beim
Stirlingmotor
(Heißgasmaschine
mit je einem Verdränger-
und einem Arbeitskolben pro Arbeitsraum) kann man über das Optimieren
des
Phasenwinkels die thermodynamischen Vorgänge im Motor harmonisieren und
Lastspitzen vermeiden, so dass die Lebensdauer u.U. entscheidend
verlängert
wird. Unter diesen Umständen ist jeder professionelle Stirlingmotor
daran zu
erkennen, dass er einen angepassten Phasenwinkel besitzt. Die
Auswuchtung eines
solchen Motors ist durchaus machbar und wirtschaftlich, vor allem wenn
man als
Nebenaggregat einen kleinen Kompressor benötigt.
Jeder, der sich schon mit
dem
Heißgasmotor beschäftigt hat,
weiß, dass sich die Expansion ereignen sollte, wenn sich die meisten
Arbeitsgase im heißen Teil befinden, und entsprechend sich die
Kompression
ereignen sollte, wenn sich die meisten Arbeitsgase im kalten Teil
befinden. Das
funktioniert sehr gut bei kleinem Arbeitskolbenhub und großem
Verdrängerkolbenhub, also bei kleinem
Kolbenverhältnis
(KV).
Aber bei
zunehmendem Arbeitskolbenhub (bzw. größerem KV) verändert sich diese
theoretische Vorgabe automatisch, wenn die 90° Phasenwinkel beibehalten
werden.
Das Diagramm links verdeutlicht diesen Effekt. Der grüne Bereich
(Hauptexpansion) liegt
nicht mehr unter dem gelben Bereich (Arbeitsgase hauptsächlich im
heißen
Teil). Die
Harmonisierung (Diagramm rechts) besteht nun
darin, den hauptsächlichen Expansionsvorgang (grün) in den
Zeitabschnitt zu
setzten, in dem sich die Hauptmasse des Arbeitsgases im heißen Raum
befindet
(gelb). Umso größer das Kolbenverhältnis (KV) ist, umso kleiner muss
der
Phasenwinkel gewählt werden, um dem Phänomen gerecht zu werden.
Bei
Niedertemperatur-Stirlingmotoren
kann der alte
Phasenwinkel von 90° beibehalten werden. Wer vor hat, mit regenerativen
Brennstoffen zu heizen, sollte einen Phasenwinkel von 70° bis 80°
wählen und
wer mit fossilen Brennstoffen heizen will, sollte einen Phasenwinkel
von bis zu
60° wählen, weil hier die härtesten Flammen und größten Temperaturen im
heißen
Teil erwartet werden (Temperaturmessung des „heißen Teils“ nicht in der
Flamme,
sondern im Arbeitsgas im Bereich zwischen dem Erhitzer und Regenerator).
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Die Konsequenzen einer
Phasenwinkel-Anpassung:

Wie
man an dem Diagramm rechts sieht, bringt eine
Harmonisierung eine
Leistungssteigerung um 20% zwischen 90° und 70° Phasenwinkel. Bei unter
70° fällt die Leistung dann allerdings ebenso rasant wieder. Der
Doppel-Stirlingmotor hatte in diesem Fall Verdränger-Durchmesser von
60mm und AK-Durchmesser von 50mm, also ein KV von 0,7. Mit
der Leistungssteigerung zwischen einem Phasenwinkel von 90° und 70°
geht natürlich auch eine Wirkungsgradsteigerung einher, die
bei
manchen Projekten noch wichtiger sein dürfte. Ein
Nebeneffekt dieser
Harmonisierung
ist die Reduzierung
der Druckspitze hinter dem oberen Totpunkt. Wenn man bedenkt, dass eine
Reduzierung der Lagerstellen
bei
Rollenlagern um 10% fast eine Lebensdauerverdoppelung ergibt, kann auf
einen
angepassten Phasenwinkel ohnehin nicht verzichtet werden. Hier (90°
reduziert auf 70°) geht es
um Kräftereduzierungen von 25%. Das bedeutet dann das
2,6-fache der Lebensdauer für die angepasste 70° Phasenwinkel-Version. Ein
geübter Fachmnann hört übrigens die Harmonisierung. Kleinere Kräfte
bedeuten immer auch kleinere Querkräfte. Das wiederum bedeutet, dass
sich Teflon-Bandagen weniger heftig von der einen Seite zur anderen
Seite bewegen, die Aufprallgeschwindigkeit viel kleiner ist und die
Maschine sanftere Geräusche von sich gibt. Wurde im
Arbeitskolben-Triebwerk zusätzlich ein Anlenkhebel eingebracht,
überwiegt die Geräusch-Reduzierung allerdings aus diesem letzten Grund.

Nun zum Ridermotor (dem
Heißgasmotor,
der keinen Verdränger
besitzt), auch Alpha-Typ genannt: Beim Ridermotor
(Heißgasmaschine mit
zwei Arbeitskolben –
einem Kompressionskolben und einem Expansionskolben -
pro Arbeitsraum) verändert man mit dem
Phasenwinkel und der Harmonisierung auch gleichzeitig das
Kolbenverhältnis
(KV). Deshalb ist ein optimal eingestellter Phasenwinkel beim
Ridermotor viel
wichtiger als beim Stirlingmotor und entscheidet meist über
Funktionieren oder
Nichtfunktionieren des Motors! Das habe ich und andere schon leidvoll
erfahren müssen. Ridermotoren mit
90°
Phasenwinkel sind für normale
Feuerungen nicht zielführend, Phasenwinkel kleiner 90° noch weniger.
Erst
deutlich über 90° wird es interessant. Ab 100° Phasenwinkel kann mit
kaltem
Wasser (z.B. Fluß- oder Meerwasser) und mit einer harten fossilen
Flamme ein
Ridermotor erfolgreich realisiert werden. Aber wer eine
Kraft-Wärme-Kopplung
plant, sollte mindestens
110° vorsehen, bei einer regenerativen Feuerungsart wegen dem erhöhtem
CO²-Gehalt im Brenngas sollte der Phasenwinkel über 120° betragen. Wenn
Holz-Hackschnitzel verfeuert werden sollen, empfiehlt es sich, sogar
noch höher
zu gehen. Der Wassergehalt bei diesem Brennstoff kann erheblich
schwanken. Wenn
der Ridermotor dann noch stabil laufen soll, sind ein Phasenwinkel von
130° bis
140° angesagt. Mehr dazu im Beitrag Berechnung Biomassemotor.
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