Stirlingfreunde – ein Volk der Dichter und Denker

 

 

Doppelstirlingmotor von 1827

Manch einer dachte schon, sein Stirling wäre dicht, aber denkste, Theorie und Praxis sind eben zweierlei. Liegt es nun an einem O-Ring, einem Flansch oder einer Schweißnaht – man wird einfach mit der Zeit Dicht-Spezialist, ganz ohne Versmaß und Reime.

Dabei haben Dichtprobleme bei Stirlingmotoren eine lange Tradition. Im vorvorigen Jahrhundert verwendete man Leder, Flachs und ähnliche biologische Erzeugnisse zur Abdichtung. Natürlich war damit eine Aufladung kaum zu machen, was höhere Leistungen bzw. bessere Leistungsgewichte bedeutet hätte. Nebenstehendes Bild eines Stirlingmotors aus dem Jahr 1827 mit doppeltwirkendem Arbeitskolben und einem Kompressor zeigt aber ganz deutlich, dass die damaligen Zeitgenossen durchaus um dieses Geheimnis wussten.

Heute beherrscht man im allgemeinen die Dichtprobleme bei Gehäuseverbindungen, lediglich bei Helium und Wasserstoff wird es schwieriger. Manchmal pfeift es aber gar nicht aus den Fügespalten heraus, sondern mitten im Gussgehäuse. Porositäten sind ärgerlich, treten meistens bei der gesamten Charge an genau der selben Stelle auf und sind erst beim nächsten Guss durch Verlagerung von Anguss und Steiger zu verhindern. Manchmal helfen aber auch Kühlbleche, die in der Nähe dieser Stelle in den Sand verstaut werden und dann die Abkühl-Geschwindigkeit beschleunigen, so dass das Gefüge bei der Erstarrung an dieser Stelle dichter wird.

Was macht man dann aber mit der ersten Charge? Wegwerfen? Einschmelzen? Meist kann man die Dichtigkeit eines Gusses erst nach der Bearbeitung erkennen. War also die ganze teure Bearbeitung umsonst? Nein – man kann auch diese Gehäuse noch wie folgt retten: Man erhitze den ansonsten abgedichteten Stirlingmotor auf etwa 50°C, lege ein leichtes Vakuum an und benetze die Stelle mit einer üppigen Lage 2-Komponenten-Epoxidharz-Kleber (ich nehme immer UHU plus endfest 300). Wenn dann der erste Trichter sichtbar wird, diese Stelle noch einmal mit Klebstoff betupfen und das Vakuum abstellen und aushärten lassen. Wer Helium abdichten muss, dem empfehle ich spezielle Firmen, die nichts anderes tun, als massenweise ganze Gehäuse in heiße Bäder mit solchen Klebern einzutauchen – nicht nur Stirlingfreunde haben Dichtprobleme.

Ein ganz anderes Dichtproblem ist die Wellen-Abdichtung. Die meisten Simmerringe sind nicht für Überdrücke geeignet. Nur die Sorte BABSL hat eine Stahlschulter im Kautschuk eingegossen und eine kürzere Dichtlippe, was beides dazu führt, dass bis zu 10 bar auf Dauer abgedichtet werden können. Die Welle muss allerdings im Bereich der Dichtlippe aus gehärtetem Stahl bestehen, sonst arbeitet sich die Dichtlippe mit der Zeit in den Stahl ein. Doch ganze Wellen aus gehärtetem Stahl sind nicht leicht herzustellen. Deshalb hilft auch eine gehärtete Muffe, die fest auf der Welle sitzt und entweder durch Loctide-Kleber oder einem O-Ring zur Welle hin abgedichtet ist. Also, bis zu 10 bar kann man dadurch bewältigen. Aber was macht man, wenn man mehr als 10 bar Aufladung realisieren will? Dann kann man mehrere Simmerringe hintereinander setzen. Damit der Ring, der am bester dichtet, nicht die Haupt-Druckdifferenz übernimmt und dann doch über 10 bar kommt und beschädigt wird, muss man mit Reduzierventilen arbeiten die auf 9,5 bar eingestellt werden.

Mehr als 40 bar Luft sollte man allerdings nicht aufladen, weil sonst der Sauerstoff-Anteil in der Luft und das Fett der Lager bereits nahe an der Selbstentzündungs-Temperatur herangekommen und es eine heftige Explosion geben kann, die nicht nur den Motor, sondern auch das Test-Gebäude zerreißt.

Verwendet man Stickstoff, so sollte man das kostbare Gas in der letzten Simmerring-Stufe absaugen und wieder ins Gehäuse pumpen. Aber auch bei Luft sollte man diese Absaugung realisieren, denn pumpt man ständig neue Luft von außen in das Gehäuse, muss man die Luft noch aufwendig entfeuchten.

Bei Helium geht durch Simmerringe allerdings zuviel verloren, da hilft auch keine Absaugung in der letzten Stufe. Da hilft dann nur noch eines: Generator in den Druckraum integrieren und mit einem druckdichten elektrischen Stecker durch das Gehäuse gehen, sogenannte U-Boot-Stecker.

Zwischen 1945 und 2000 dachte man, dass es genügt, wenn man nur die Zylinder mit Helium füllt, während man im Gehäuseraum einfach Luft zuläßt. Dann verlagert man allerdings das Dichtproblem an die Kolbenstangen. Oszylierende Dichtungen dichten aber oft noch weniger als Simmerringe. Mehrfach-Systeme mit Absaugung in der letzten Stufe oder mit Ölspülung sind sehr teuer und anfällig und Membran- oder Rollsockendichtungen aus Kautschuk haben eine zu niedrige Lebensdauer. Alle diese Varianten haben sich als Irrtum erwiesen.

Wie man es auch immer macht, am besten ist es wohl, den Generator in den Druckraum zu integrieren.

Doch es gibt nicht nur Dichtungen nach außen hin. Am Stirlingmotor beschäftigen uns auch oft innere Dichtungsprobleme. Betrachten wir hier zunächst einmal den statischen Bereich. Es sind die Hohlraumkörper, der Verdränger beim Stirling bzw. der sogenannte Dom beim Rider. Diese müssen dicht sein, damit sie keine unerwünschten Toträume bilden und zu Leistungsfressern werden. Dabei spielt die kleinste Pore eine große Rolle. Deshalb sollte man jeden solchen Hohlraumkörper vor dem Einbau in heißes Wasser stellen. Nur 2 Blasen pro Minute bei Heliummaschinen und 5 Blasen pro Minute bei Luft- oder Stickstoffmaschinen sind akzeptabel. Es gab andererseits auch Stirlingmaschinen, deren Verdränger absichtlich sogenannte Entlastungsbohrungen von mehreren mm hatten. Man wollte den Verdränger extrem leicht und dünnwandig ausführen. Mit Entlastungsbohrung gibt es dann zwar keine Gefahr der Implosion mehr, aber man verschenkte auch die Hälfte des Drehmomentes und damit der Leistung. Natürlich ist es auch möglich, Verdränger vollkommen gasdicht hinzubekommen. Aber das birgt dann gerade die Gefahr der Implosion. Denn diese Hohlräume (Verdränger bzw. Dom) werden bei Umgebungsdruck geschlossen und dann so eingebaut. Besäßen sie bereits den Mitteldruck der aufgeladenen Maschine, könnte man an der Wanddicke und damit am Gewicht sparen. Soll der Motor eine gleichbleibende Aufladung erhalten, sind deshalb sogar Poren erwünscht. Hier hat sich 0,5 bis 1 Blase pro Minute bei Helium- und 2 bis 4 Blasen pro Minute bei Luft- und Stickstoffmaschinen als praktikabel erwiesen. Wie solche absichtlichen Poren technisch eingebracht werden, ist allerdings Betriebsgeheimnis der führenden Entwickler bzw. Hersteller. Es versteht sich von selbst, dass solche Motoren nur sehr langsam aufgeladen werden dürfen. Auch plötzliche Druckabfälle während des Laufs bedeuten dann natürlich eine Explosion der Hohlraumkörper, und sollten ebenfalls vermieden werden. Bei Stirlingmaschinen, die eine Leistungsregelung durch variable Drücke realisieren, sind schließlich dickwandige, schwere Verdränger das absolute Muss und diese sind dann natürlich gasdicht.

Als zweites Dichtungsproblem innerhalb des Stirlingmotors möchte ich Bypass-Probleme nennen, und zwar bei solchen Maschinen, die statt eines Ringspaltes um den Verdränger ein komplettes thermisches Paket von Erhitzer, Regenerator und Kühler ringförmig um den Verdränger besitzen. Ich liebe solche Motoren. Sie sind stark - haben ein hohes Drehmoment und nur einmal eine druckfeste Temperaturabbaustrecke, was den Wirkungsgrad in die Höhe schnellen lässt. Aber sie beinhalten auch das Bypass-Problem, und zwar zwischen dem Expansionsraum über dem Verdränger und der Nahtstelle zwischen Erhitzer und Regenerator. Hier im heißen Bereich des Motors kann man keinen O-Ring einbringen, der die dünnwandige Hülse gegen den Erhitzerkopf abdichtet. Bei Luft- und Stickstoff-Maschinen können enge Übergangs-Passungen noch praktikabel sein. Aber bei Helium muss man den teueren Schritt einer Hochvakuum-Verlötung gehen.

Während alle bisherigen Dichtungsprobleme statischer Natur waren, kommen wir schließlich zu den dynamischen, den Kolbenring-Dichtigkeiten.  Hier  sind es dreierlei: die Kolbenstangen-Dichtringe, der Dichtring am Verdränger und die Kolbenringe am Arbeitskolben. Alle haben ihre Besonderheit, aber eines haben sie gemeinsam: sie sind nicht absolut hundert Prozent dicht, die Tendenz ist allerdings klar: je teurer, und je aufwändiger, umso dichter. Um den Wirkungsgrad und die Leistung zu erhöhen, sind hier kaum Grenzen gesetzt. Hier gibt es auch den größten Unterschied zwischen Bastler- und Profimotoren.

Früher hatten Stirlingmotoren gar keine Kolbenringe, sondern nur ölgeschmierte Passungen. Der Ölfilm diente auch als Dichtung, die Flüssigkeitsreibung fraß allerdings auch ein Großteil des Drehmomentes und damit der Leistung. Und wenn der Motor allzu lahm wurde, benutzte man leichteres Öl oder mischte dem Öl Petroleum bei. Heute hat man erkannt, dass Öl, ja selbst leichtester Ölnebel im Erhitzer verrußt und Ruß ist eines der wirksamsten thermischen Isolatoren. Da man aber gerade am Erhitzer größere Mengen Wärme übertragen muss, ist diese Erscheinung Gift für den Motor und wird daher gemieden.

Moderne Stirlingmotoren sind Trockenläufer. Trockenlauf bedeutet: Anlenkhebel-Getriebe und Kolbenringe aus Teflon-Compounds. Die genaue Mischung dieser Compounds, die Formgebung wie die Produktionsverfahren solcher Kolbenringe sind oft Betriebsgeheimnisse der Herstellerfirmen. Doch alle Kolbenring-Teststände nützen nichts, wenn es um die Lebensdauer geht. Das muss an den Differenzdrücken im Motor selbst getestet werden, und zwar bei Dauertests weit über der 10 000 Stunden-Grenze.

Die Differenzdrücke, denen der Kolbenring am Verdränger ausgesetzt ist, sind gering und kommen nur durch die Strömungsverluste im Erhitzer, Regenerator und Kühler. Er muss künstlich an die Zylinderwand angedrückt werden, damit er gut dichtet. Dazu dienen verschiedene Federn aus Draht oder Blech auf der Innenseite des Kolbenrings.

Bei den Kolbenringen des Arbeitskolbens, die ja die vollen Zyklusdrücke zu dichten haben, findet man solche Federn, ja sogar fein abgestimmte Bimetall-Federn.

Im Bereich der Kolbenstangen-Abdichtung geht es auch um die vollen Zyklusdrücke. Hier bieten sich Kolbenstangen-Dichtungen für  trockenlaufende Kompressoren an. Diese sind allerdings meist zu steif, nehmen zuviel Drehmoment weg, so dass man die Zugfedern, die um das Paket herumgeschlungen sind, herausnehmen und durch Zugfedern ersetzen muss, die eine geringere Federrate besitzen.

Um Gewicht zu sparen, trennt man bei größeren Heißgasmotoren den Getrieberaum vom Arbeitsraum, indem man die Kolbenkräfte über eine Kolben- oder Schubstange führt. Diese linear geführte Stange besitzt dann einen solch großen Durchmesser, dass man kleine Kolbenringe in die Stange integrieren kann. Bei Motoren der 2.Generation (Drucköl-Schmierung im Getriebe) werden an dieser Stelle rafinierte Dichtpakete aus verschiedenen Hydraulik-Systemen angewendet.

Die Lebensdauer der Kolbenringe ist begrenzt, das heißt, wir haben hier ein echtes Verschleißteil. Die Verschleiß-Geschwindigkeit hängt von zwei Faktoren ab, der Drehzahl und den Zyklusdrücken. Wir hatten beim Beitrag „Der Wirkungsgrad“ bereits deutlich gemacht, dass unsere Stirlingmotoren bei Grundlast in einem niedrigen Drehzahlbereich und bei kurzzeitigem Spitzenlast in einem höheren Drehzahlbereich eingesetzt werden sollten. Nun haben wir auf Grund des Verschleißes bei den trockenlaufenden Dichtungen ein zweites Mal diese klare Tendenz.

Ideale und tatsächliche pV-Diagramme

Übrigens Zyklusdrücke – man kann sie in speziellen Fällen herabsetzen und damit die Lebensdauer erhöhen, ohne dabei das Drehmoment und damit die Leistung abzusenken. Stirlingmotoren mit 90° Phasenwinkel weisen sehr hohe Zyklusdrücke auf, bei 80° ist die Situation schon wesentlich entspannter (siehe auch Beitrag "Definition Stirlingmotor / Ridermotor). Dabei kann zwischen 70 und 60° sogar die Leistung am größten sein, wie nebenstehenden Skizze zeigt. Die Skizze zeigt auch, wie die ideale Fläche bei theoretisch dichten Kolbenringen durch die Undichtigkeiten verkleinert wird. Erst unter 55° sinkt dann auch die Leistung merklich ab. Dieses Konzept verlangt allerdings einen zusätzlichen Ausgleichskörper, siehe Beitrag  Auswuchtung

Dichtproblematiken Grafische Zusammenfassung

 

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